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Zukunftsbild
für Ziel-Zustand

 
 


Kapitel 1
Die Verwandlung

 

Die Verwandlung von Grau zu Grün

Für das Leitbild wurden 65 Visualisierungen als Vorher-Nachher-Bild erstellt. Diese zeigen das Heute und die Zukunft. Sie sind über die ganze Stadt verteilt und sollen sich so an alle Stadtbewohner/innen richten.

Die Visualisierungen sollen dem Konzept ein Gesicht geben und es beurteilbar machen. Den Verfasser/innen ist es wichtig, dass die Gesellschaft an dieser wichtigen Diskussion teilnehmen kann. Konkrete Bilder können auf breiter Basis Themen lancieren und sind nicht nur Fachkreisen vorbehalten. Die Zukunft wird allerdings nicht genau so aussehen. Die Bilder sollen vielmehr die Wandlungsfähigkeit und das Potenzial von Orten aufzeigen, an deren graue Monotonie man sich längst gewöhnt hat.



 

ST. GALLEN HEUTE ⬤ ST. GALLEN ZUKUNFT

 

Vom Potenzialplan zum Grünplan Zukunft

 
 

Grünplan Zukunft: ein Planungsinstrument

St. Gallen hat in den letzten Jahren mehr als die Hälfte der Ökoflächen eingebüsst. Heute haben wir nur 11 Prozent wertvolle Naturflächen. Weil der Verdichtungsdruck nicht allzu hoch ist, verfügt St. Gallen glücklicherweise über viele unternutzte Potenzialstandorte. Diese gilt es frühzeitig zu erkennen, zu schützen und die richtigen Weichen zu stellen. Dazu braucht es einen Masterplan, der als Planungsinstrument zur Beurteilung von laufenden Bauprojekten und Transformationsprozessen dient. Der in diesem Kapitel beschriebene «Grünplan Zukunft» soll zusammen mit 14 Massnahmen das Fundament für den Masterplan bilden.

Potenzialplan — Grünplan Zukunft

 
 
 

Die drei Schritte:
Zonenplan – Potenzialplan Heute – Grünplan Zukunft

Der Potenzialplan zeigt ökologisch bewertete Flächen auf Basis des Nutzungszonenplans auf. Den Zonenplan in einen Potenzialplan mit vier Ökopotenzialklassen (0, 1, 2, 3) einzuteilen, ermöglicht die strategische Auseinandersetzung mit Aufwertungsmöglichkeiten, die als gegeben akzeptiert sind und von umgebenden Potenzialflächen separiert werden. Auf den Flächen der Zone O werden zum Beispiel Fussballrasen oder Schulhausplätze, die unveränderlich sind, von deren umgebendem Grün differenziert. Aus dem Richtplan direkt übernommen wurden neben den Grundlagenplänen die Schutzgebiete und die Lebensraumvernetzungen.

 

POTENZIALPLAN HEUTE ⬤ GRÜNPLAN ZUKUNFT

 
 

Ökopotenzial 0

Gilt als nicht aufwertbar und ist für die Natur unbrauchbar. Dies sind: Autobahn, versiegelte Strassenflächen (Strassen ohne Alleen, befestigte Wege, Trottoir, Restflächen), Bahntrasse, Landwirtschaft (ohne ökologische Qualifikationen). Der Grünplan zeigt die Veränderung dieses Flächentyps – am deutlichsten erkennbar bei den Landwirtschaftsflächen.

Ökopotenzial 1

Flächen, die meist versiegelt sind. Diese Flächen können durch Entsiegelung und Ruderalbepflanzung an Ökopotenzial gewinnen. Dies sind: Funktionsflächen (Werkhöfe, Feuerwehr, OLMA Areal, Parkplätze, Hauptbahnhof), Wohn-Gewerbe-, Gewerbe-Industrie- und Industriezonen, Ruderalflächen und Bahnbegleitflächen.

Ökopotenzial 2

Sind meist schon Grünflächen, die aber ökologisch nicht ausreichend aktiviert sind: Wohnzonen (Privatgärten, Abstandsgrün zwischen MFH), Funktionsparks (Bäder, Sportanlagen, Friedhöfe, Spitalanlagen, Kirchenanlagen, Spielplätze, Familiengartenanlagen, Botanische Gärten), Dach- und Fassadenbegrünung.

Ökopotenzial 3

Hat für die Biodiversität den höchsten Wert. In St. Gallen sind sehr wenige Flächen in dieser Kategorie. Hier braucht es einen Flächenzuwachs aus anderen, tieferen Kategorien. Dies sind stehende Gewässer und Fliessgewässer sowie Bachfreilegungen 2030 gemäss Richtplan, Habitatbäume, Wald, renaturierte Waldränder, ökologische Infrastruktur (Biodiversitätsförderflächen, Schutzinventare, Gewässerraum als extensive Landwirtschaft), Kulturland (Landwirtschaftsflächen am Siedlungsrand, Vitalisierung durch klimaregulierende oder biodiversitätsfördernde Massnahmen wie Hochstämmer, Heckenbepflanzung an Böschungen, Anlage von extensivern Magerwiesen).

Grünplan Zukunft

Er zeigt den Zielzustand bei einer Ausschöpfung aller Potenziale und der Umsetzung aller Massnahmen. Er dient als Planungsinstrument zur Beurteilung von laufenden Bauprojekten und Transformationsprozessen.

 

GRÜNPLAN ⬤ ZUKUNFT

 

Impact für die Stadtökologie

 
 

Die Massnahmen – ein 14 Punkte Plan

Den Massnahmen liegt eine Systematik mit Plänen und Bepflanzungsprinzipien zugrunde. Die Quantifizierung der Massnahmen erlaubt es, Annahmen für die zukünftige Entwicklung der Natur zu treffen. Ebenso zeigen die Zahlen die Wirksamkeit im Kampf gegen die globale Biodiversitäts- und Klimakrise auf.

Die globale Klima- und Biodiversitätskrise hat die Schweiz und St. Gallen längst erreicht. Die Wildtierbestände sind in Lateinamerika um 94 Prozent eingebrochen, in unseren Breitengraden um 68 Prozent. Der Anteil der Schweiz liegt deutlich über dem Schnitt der OECD-Länder. Auch die Stadt St. Gallen ist artenarm geworden, hauptsächlich aufgrund des stetig ansteigenden Verbrauchs an Grünflächen.

Was kann St. Gallen tun? Es ist Zeit, die SOS-Signale der Natur mit einer beherzten Umsetzung des Leitbilds zu beantworten. Mit den Massnahmen von «Grünes Gallustal» verdreifachen wir die Ökofläche von heute 11 Prozent (= 2,8 km²) auf künftig 36 Prozent (= 9,181 km²). Weil mit der Ökofläche und der Vernetzung auch die Artenzahl steigt, dürfen wir davon ausgehen, dass wir mit dieser Erhöhung der Flächen wieder einen beachtlichen Anteil der ursprünglichen Artenvielfalt zurückholen können. Die Massnahmen verbessern die CO₂-Bindung um das Zweieinhalbfache gegenüber heute. Wenn man bedenkt, dass eine ausgewachsene Buche genügend Sauerstoff produziert, damit 50 Menschen eine Stunde atmen können, und dies Tag für Tag, ist klar, dass es mehr Bäume, Hecken, grüne Fassaden und grüne Dächer in der Stadt braucht.

Die Massnahmen würden mit 27’000 Tonnen CO₂, 5 Prozent des aktuellen St. Galler CO₂-Ausstosses, kompensiert. Das wären 2.5 Mal mehr als heute. Die restlichen 95 Prozent müssen zur Neutralität eingespart oder an einem anderen Ort kompensiert werden.

CO₂-Bindung

 
 
 
 
Kombi-IST-1_7000.jpg
Zielplan_mit-Beschriftung.jpg
Luftperspektive: 3D Stadtmodell von Leica Geosystems: Zukunftsbild Blick Bahnhof Nord

Luftperspektive: Die 3D-Punktewolke von Leica Geosystems zeigt ein Zukunftsbild von St. Gallen mit Blick Richtung Bahnhof Nord auf. (Visualisierung: Leica Geosystems AG)

 
 

Berechnungsgrundlage der CO₂-Bindung

Die Faustformel lautet: Eine Hektare Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg ca. 6 Tonnen CO₂ . Ein Festmeter bzw. ein Kubikmeter Holz hat rund 1 Tonne CO₂ gespeichert. Der deutsche Wald entlastet laut Kohlenstoffinventur 2017 die Atmosphäre jährlich um rund 62 Mio. Tonnen Kohlendioxid. Damit kompensiert er ca. 7 Prozent der Emissionen in Deutschland.

Bei unseren heimischen Bäumen ist das CO₂-Aufnahmepotenzial von Buche, Kirsche, Kastanie und Linde besonders hoch. Kastanien und Linden findet man in vielen Städten als Strassen- und Stadtbaum. Danach folgen Eiche, Esche, Ulme und der Ahorn. Auch die Ulme und besonders der Ahorn sind beliebte Stadtbäume. Erst jetzt kommen die Nadelbäume wie Kiefer, Fichte, Tanne, Lärche und Douglasie als CO₂-Binder. Die Douglasie ist ein Nadelbaum, der aus den USA eingeführt wurde. Er hat sich besonders in der zusätzlichen Bepflanzung von Mischwäldern durchgesetzt. Die Douglasie gilt als widerstandsfähig und stabilisierend. Beim Mischwald kommt es auf die richtige Mischung an. Artenreiche Wälder können mehr Kohlenstoff speichern als Wälder, die nur aus Nadel- oder Laubbäumen bestehen. Sie sind widerstandsfähiger gegenüber Umwelteinflüssen wie Stürmen und dem Schädlingsbefall.

Ein internationales Forscherteam der Universität Halle Wittenberg konnte in einer gross angelegten Studie nachweisen, dass Mischwälder rund doppelt so viel Kohlenstoff speichern können wie Monokulturen. Nadelbäume sind zwar das ganze Jahr hindurch grün und können somit auch durchgängig CO₂ verwerten, die Menge ist im Vergleich zu einem Laubbaum jedoch gering. So nimmt eine Buche im Schnitt 40 Prozent mehr CO₂ auf als eine Fichte.