Marktplatz: Die Geschichte über den Baum, der nicht gefällt werden will

Aktualisiert am 15.11.2023

Über den Marktplatz führt eine neue Fernwärmeleitung – und sie sollte genau unter den Baum Nr. 11 zu liegen kommen. Die über 60-jährige, kerngesunde Platane war gefährdet (siehe Instagram-Post von Grünes Gallustal am 17.10.2023). Vorerst ist die Fällung abgewendet.

Nach Protesten aus der Bevölkerung und Positionspapieren von WWF St.Gallen und Naturschutzverein St.Gallen und Umgebung (NVS) gab Stadtrat Peter Jans am 14.11.2023 überraschend bekannt: «Aufgrund der aktuellen Reaktionen aus der Bevölkerung haben wir – die Stadtwerke und ich – uns entschieden, auf die Fällung zu verzichten.»

Auf dem Baum Nr. 11 neben dem Flickhüsli steht: Lasst mich leben (Foto: Grünes Gallustal).

Der Baum will über 200 Jahre alt werden und Schatten spenden (Foto: Grünes Gallustal).

Illustration: Stadt St.Gallen / St.Galler Stadtwerke

Die Vorgeschichte

Trotz mehrmaliger Intervention von Grünes Gallustal und unzähligen Bürgerinnen und Bürgern haben der Stadtrat und die St.Galler Stadtwerke keine alternative Lösung gefunden. Es hiess seitens der Verantwortlichen immer: «Es geht nicht anders» (siehe Instagram-Kommentar). Doch ein überzeugendes Argument, warum es denn nicht gehe, wurde nie offengelegt. Es gab lediglich eine Skizze (siehe Phase 1.1), aber keine fundierten Abklärungen, Vermessungen oder einen erläuternden Plan.

Fälltrupp von mutiger St.Gallerin gestoppt

Am Montag, 13.11.2023, rückte schliesslich der Fälltrupp morgens um 8 Uhr an. Ursula Bühler, die gleich neben dem Baum das Flickhüsli betreibt, hat sich den Arbeitern vehement entgegengestellt. Sie zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Die mutige Frau kämpft dafür, dass der schattenspendende, kerngesunde Baum Nr. 11 bleiben darf und der Marktplatz nicht zu einem grauen Ort verkommt.

Positionspapiere von NVS und WWF

Noch am selben Abend übergab der Naturschutzverein St.Gallen und Umgebung (NVS) dem Stadtrat ein ausführliches Positionspapier und fordert, auf möglichst alle Fällungen bei der Neu- und Umgestaltung des Marktplatzes zu verzichten. Geplant ist, dass acht Bäume fallen sollen. Auch wenn Ersatzbäume gepflanzt werden, brauchen diese wieder Jahrzehnte, um den gleichen Schatten zu spenden (siehe historische Aufnahme unten, wo der Baum Nr. 11 noch jung ist). Angesichts des Klimawandels und der Überhitzung der Städte ist die Entscheidung gegen ausgewachsene Platanen unklug.

Ebenfalls am 13.11.2023 übergab der WWF St.Gallen dem Stadtrat ein Positionspapier (Download PDF). Es fordert, dass bei der Planung des Marktplatzes die bestehenden Bäume integriert werden, die Fernwärmeleitung aus dem Kronenbereich des Baums abgerückt wird oder entsprechende Baumschutzmassnahmen ergriffen werden.

Kompromiss, bei dem alle gewinnen

Grünes Gallustal schlug den Stakeholdern diese Lösung vor, bei der weder der Baum gefällt noch die Fernwärmeleitung beeinträchtigt wird (siehe Instagram-Post von Grünes Gallustal am 13.11.2023):

  • Die Leitung wird minimal vom Baum Richtung Treppe geschoben. Und zwar nur gerade soweit, dass einerseits die Baumwurzeln geschützt und andererseits die Fernwärmeleitungen noch Platz haben – ob die Bibliothek am Union kommt oder nicht.

  • Der Baum wird mit den üblichen Baumschutzmassnahmen stabilisiert: Die Wurzeln werden mit baumpflegerischen Massnahmen geschützt UND die Leitung wird mit einem Betonriegel geschützt. Beide kommen sich nicht in die Quere – und der Baum hat immerhin eine Chance zu überleben.

Wir sind erleichtert, dass nach dieser Auseinandersetzung eine Denkpause eingelegt wird. Es ist an der Zeit, wieder gemeinsam an den Tisch zu sitzen und Lösungen zu suchen.

Historische Aufnahme des Marktplatzes: Hier ist die Platane neben dem Flickhüsli noch ein Jungbaum (Foto: Archiv).